Im Lichte der Antineutrinos glüht die ganze Erde, allerdings nicht ganz homogen. Unsere Gesteine enthalten verschiedene radioaktive Elemente beziehungsweise Isotope wie Thorium oder Strontium. Manche Gesteine wie diverse Granite strahlen daher etwas mehr, andere sind eher inaktiv. Es gibt also eine völlig natürliche, radioaktive Hintergrundstrahlung, die gar nicht weiter gefährlich ist, sondern die Artenvielfalt unseres Planeten überhaupt erst durch vermehrte Mutationen auf den Weg bringen konnte.
Als Nebenprodukt erzeugt der radioaktive Zerfall im Erdinneren einen stetigen Strom von Antineutrinos. Im Fachmagazin „Scientific Reports“ wurde nun eine erste Weltkarte der irdischen Antineutrino-Strahlung veröffentlicht. Daraus abgeleitet werden kann zum Beispiel der globale „atomare Brennstoff-Gehalt“ oder die Orte aktiver Kernreaktoren, die als zusätzliche, künstliche Antineutrino-Quellen anzusehen sind.
In der Tat hätte unser Planet schon einiges von seiner inneren Hitze verloren, wären da nicht die radioaktiven Elemente, die permanent Wärme nachliefern und die Energie, die der Planet über den Wärmestrom nach außen verliert, ständig nachschießen würden. Bei dem sogenannten Beta-Minus-Zerfall wird ein Neutron in ein Proton umgewandelt. Die positive Ladung des Protons muss aber ausgeglichen werden durch die Emission eines Elektrons und eines Antineutrinos. Letzterem stellen die Gesteine keinerlei Widerstand entgegen, es entsteht ein ständiger Antineutrino-Strom von innen nach außen.
Die Erde gleicht einem schwach leuchtenden „Antineutrino-Stern“
Insbesondere die radioaktiven Elemente Uran und Thorium, die relativ häufig im basaltischen Erdmantel sowie in der unteren Erdkruste vorkommen, verursachen weltweit eine massive Abstrahlung von über zehn Quadrillionen Antineutrinos pro Sekunde. Aus dem Weltall betrachtet erscheint die Erde daher wie schwach leuchtender Antineutrino-Stern. Das Forscherteam um Shawn Usman von der „National Geospatial-Intelligence Agency“ in Springfield hat diesen Antineutrino-Strom auf der Grundlage von Messungen rekonstruiert. Das Ergebnis der Anstrengungen ist eine Weltkarte zur Energieproduktion der Erde.
Zu diesem Zweck wurden die Daten zweier großer Neutrino-Observatorien analysiert, dem Borexino-Detektor in Italien und dem KamLAND in Japan. Den wesentlichen Aufschluss gaben dabei die durch Zusammenstöße von Antineutrinos und Wassermolekülen ausgelösten Lichtblitze in den riesigen Detektorbecken. Auf Basis dieser rekonstruierten Interaktionen konnte berechnet werden, an welchen Orten wie viele Antineutrinos aus dem Erdinneren zur Oberfläche durchgedrungen sind.
Eine strahlende Energiebilanz
Die nun resultierende Weltkarte ist ein Abbild dessen, in welchen Regionen der Erde tief unter der Oberfläche der Zerfall radioaktiver Elemente mehr oder weniger intensiv ist. Das dort vermehrte Auftreten von Antineutrino-Strömen ist in der Regel gekoppelt an einen erhöhten Wärmefluss. Die Forscher errechneten, dass allein der Zerfall von Uran und Thorium weltweit eine Energiemenge von bis zu 29 Terawatt produziert.
Auch die über 400 aktiven Atomkraftwerke auf unserem Planeten entsenden große Mengen von Antineutrinos und bilden sich daher deutlich als tief dunkelrote Punkte in dieser Karte ab.
Gemessen an dem, was der ganze Planet täglich an Antineutrinos abstrahlt, machen unsere Atomreaktoren lediglich circa ein Prozent aus. „Gesehen auf den Gesamtplaneten ist das eine Prozent vielleicht wenig, aber regional ist das 1% eine bis zu 1000 fach höhere Dosis als im Durchschnitt der natürlichen Antineutrinostrahlung aus dem Erdinneren“, sagt Prof. Dr. Strauss, Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat der NEUTRINO Energy Group.
Es gibt noch viel zu tun: Das Forschungsprojekt gibt Auskunft über den radioaktiven Inhalt unseres Planeten.
Es handelt sich zugleich um eine aufschlussreiche Methode, besonders tief ins Erdinnere zu blicken, was ein Vorteil ist im Hinblick darauf, dass in der Geophysik einzig die Seismologie in der Lage ist, fundierte Aussagen über den inneren Aufbau der Erde treffen zu können. Gerade für die Erforschung der Prozesse im Erdmantel und in der Unterkruste stellen die Antineutrino-Daten eine sehr nützliche Ergänzung dar.
Geplant ist eine regelmäßige Aktualisierung der Weltkarte über die Dichte der Antineutrino-Strahlung. Es werden weitere Layer hinzukommen, denn unser Planet produziert ein ganzes Bündel verschiedener Strahlungsarten, flimmert sozusagen in bunten Farben. Radioaktiver Zerfall bedeutet, dass zum Beispiel auch Neutronen und energiereiche Gamma-Quanten freigesetzt werden. Was hier über die Erde gesagt wurde, gilt so ähnlich auch für alle anderen Planeten, nicht nur in unserem Sonnensystem. Mit dem „Antineutrino-Leuchten“ verraten sich wahrscheinlich die weit entfernten Exoplaneten anderer Sonnensysteme, deren Suche und Erforschung durch die Ausdehnung dieser neuen Methode möglicherweise beflügelt werden können.
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