Jack Steinberger gehört zu den bedeutendsten Physikern des 20. Jahrhunderts. Der Nobelpreis, den er in den 1980er Jahren zusammen mit zwei Kollegen für die Grundlagenforschung zum Elementarteilchen Neutrino erhielt, ist dafür der beste Beweis. Bis zum Aufstieg in den Physiker-Olymp ging Steinberger beruflich jedoch verschlungene Wege. Außerdem war auch er – wie so manch anderer Wissenschaftler, Künstler und Intellektueller – immer wieder Spielball weltpolitischer Ereignisse.
In den Wirren der Politik
Die Wurzeln Jack Steinbergers liegen in Deutschland. In der bayerischen Kreisstadt Bad Kissingen wurde er am 25. Mai 1921 als zweiter von drei Söhnen einer jüdischen Familie geboren. Zunächst deutet nicht Vieles auf eine wissenschaftliche Laufbahn von Hans Jakob hin, wie Steinberger in Deutschland noch hieß. Sein Vater war Kantor und Religionslehrer jüdischen Glaubens, seine Mutter Berta entstammte einer Händler-Familie.
In Bad Kissingen besuchte Hans Jakob das Kissinger Realgymnasium. Doch das Leben der Familie Steinberger musste eine gänzlich andere Richtung nehmen. Nach der Machergreifung der Nazis wurden Hans Jakob und sein ältere Bruder Herbert in die USA geschickt. Möglich wurde die Flucht mit der Hilfe einer jüdischen Wohltätigkeitsorganisation sowie der Bereitschaft eines Chicagoer Kornhändlers, die Kinder aufzunehmen. Die Eltern und der jüngere Bruder Rudolf folgten den beiden Geflüchteten erst 1937 nach.
Nach dem Abschluss der High School in Winnetka im Bundesstaat Illinois begann Steinberger in Chicago ein Chemie-Studium. Schnell erkannte er jedoch, dass ihn die Physik mehr faszinierte. Nach Kriegsende studierte er an der Universität von Chicago daher diesen Wissenschaftszweig. 1948 schrieb er unter dem Kernphysiker Enrico Fermi seine Doktorarbeit. Seine wissenschaftliche Laufbahn setzte Steinberger an der privaten Forschungseinrichtung Institute for Advanced Study in Princeton und der University of California in Berkeley fort. Im Jahr 1950 wurde er Professor an der New Yorker Columbia University, wo er bis 1971 forschte und lehrte.
Wissenschaft und politisches Bewusstsein
Als angehender und später als verdienter Physiker legte sich Steinberger immer wieder mit politischen Machthabern und Regierungsinstanzen an. Grund waren seine politischen Überzeugungen. Zwar war er als junger Mann eher unpolitisch eingestellt, wie er 2013 in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung sagte. Doch das änderte sich mit dem Abwurf der Atombombe auf Japan. Steinberger hielt die Entscheidung für einen kapitalen Fehler. Als ihm später angeboten wurde, ebenfalls bei Atomversuchen mitzuarbeiten, lehnte er dankend ab.
In den 1940er Jahren, mitten in der McCarthy-Ära, geriet Steinberger auch ins Visier der Kommunistenjäger. Grund für die Hetzjagd auf den jungen Wissenschaftler hatten die Anti-Kommunisten durchaus. Steinberger war zu der Zeit in linksgerichteten politischen Kreisen aktiv. Noch während des Krieges trat er einer Gewerkschaft für wissenschaftliche Mitarbeiter bei. Er beteiligte sich an Forschungen, welche die Kollateralschäden von Bomben reduzieren sollte und unterstützte Franklin D. Roosevelt im Wahlkampf. Als er sich 1949 weigerte, eine Erklärung zu unterschreiben, dass er Kommunist sei, geriet er auch in den Fokus der FBI. Seit dem hatte er „Ärger mit den Brüdern“, wie es Steinberger lakonisch ausdrückte.
Höhepunkt als Wissenschaftler
Steinberger überstand die antikommunistische Hetzjagd ohne größeren Schaden für Leib und Seele und erreichte Anfang der 1960er Jahre den Höhepunkt seiner wissenschaftlichen Laufbahn. In dieser Zeit gelang er zu Forschungsergebnissen, die ihm mehr als 20 Jahre später die höchste wissenschaftliche Auszeichnung einbringen sollte. Steinberger erkannte mit seinen beiden Kollegen Leon Max Lederman und Melvin Schwartz Grundlegendes zum Elementarteilchen Neutrino. Sie wiesen in einem Experiment am Brookhaven National Laboratory nach, dass mindestens zwei Neutrino-Arten existieren, das Elektron-Neutrino und das Myon-Neutrino. Für diese Erkenntnis erhielten die drei Forscher 1988 den Nobelpreis für Physik.
Der Neutrino-Durchbruch war nicht das letzte bedeutende Forschungsergebnis Steinbergers. Der Physiker arbeitete ab 1968 auch im Europäischen Laboratorium für Elementarteilchen im Kernforschungszentrum CERN, wo er eine Reihe wichtiger Experimente leitete.
Auszeichnungen und Ehrungen
Steinberger erhielt im Lauf seiner wissenschaftlichen Laufbahn neben dem Nobelpreis viele weitere Auszeichnungen. 1968 wurde er zum korrespondierenden Mitglied der Heidelberger Akademie der Wissenschaften gewählt. Ein Jahr später wurde er in den erlauchten Kreis der American Academy of Arts and Sciences aufgenommen. Steinberger ist Mitglied der Academia Europaea, Ehrendoktor der Universitäten Dortmund, Glasgow und Barcelona und Träger der Matteucci-Medaille, die ihm 1989 für seine grundlegenden Beiträge zur Wissenschaft verliehen wurde.
Der Physiker hat sich jedoch nicht nur seine wissenschaftliche Neugier bewahrt, sondern auch seine pazifistische Haltung. Als entschiedener Gegner der Atombombe engagiert sich Steinberger auch im hohen Alter für die nukleare Abrüstung. Privat begeistert sich der Vater dreier Söhne und einer Tochter für die klassische Musik von Komponisten wie Wolfgang Amadeus Mozart und Johann Sebastian Bach. Er spielt Flöte und war in jüngeren Jahren auch sportlich aktiv. Vor allem begeisterte er sich für Tennis, Bergsteigen und Segeln. Seit Ende der 1980er Jahre hat Steinberger regen Kontakt mit seiner Geburtsstadt Bad Kissingen. Die dankte es ihrem berühmten Sohn und nannte 2001 das Gymnasium Bad Kissingen in Jack-Steinberger-Gymnasium um. Anlass war der 80. Geburtstag des bedeutenden Physikers.
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